Die Prinzipien des Womanifest verbinde ich mit der Arbeit an der Stimme. Das geht wunderbar.
Während meines Studiums an der Schauspielschule hatte ich wöchentlich die verschiedensten Unterrichtsformen um eine klare kraftvolle und facettenreiche Stimme zu trainieren, und trotzdem glaubte ich, das lerne ich nie. Mein Stimmchen war dünn, sehr hoch, wenn ich in Erregung war, kletterte sie noch höher und ich war sehr schnell heiser – alles anstrengende Fakten für jeden Zuhörer!
Irgendwann muss ich es aber durch die ständigen Wiederholungen gelernt haben, das ist das alte Prinzip: Derartige Veränderungen bemerken andere - nicht man selbst.
Nun aber wurde ich immer häufiger um Hilfe gebeten, angezogen durch die Art und Form, wie ich mit meiner Stimme agiere. Ich war mir aber unsicher, ob es mir bei anderen glücken würde, denn es braucht Zeit, Geduld... und Liebe.
Um das näher zu erklären, möchte ich zunächst eine Tatsache bewusst machen.
Wenn sich ein neues Leben im Mutterleib entwickelt, gibt es den Abschnitt, wo der Embryo wie eine Bohne aussieht. Eine Bohne – und doch kann man bereits im Ultraschall das pulsierende Herz sehen. In dieser Phase ist der Kopf dem Herzen ganz nah und damit dem stetigen Rhythmus, dem Trommler, dem Metrum.
Entwickelt sich dann der Embryo zum Fötus, so zeigen sich die Gliedmaßen, der Kopf richtet sich auf und entfernt sich vom Herzen. Die Verbindung aber zwischen Herz und Kopf – die Brücke oder der Kanal - ist nun der herausgeformte Hals. Gewiss, bei Babies und Kleinkindern ist dieser Hals noch sehr kurz. Doch dort sitzt ein wunderbares Geschenk - unsere Stimme.
Für mich ist sie etwas bemerkenswert. Natürlich, ich kann tasten, sehen, schmecken riechen, hören... um meine Umwelt wahrzunehmen, ich habe einen Körper, mit dem ich mich bewege, tanze...mich mitteile, meine Augen, die nicht nur sehen, sondern selbst Geschichten erzählen können. Keines dieser Sinne, nichts am Körper will ich kleinreden, er ist großartig, doch unsere Stimme ist ein bemerkenswertes Geschenk.
Wir sind mit ihr nicht geboren worden.
Sie hat sich erst über die vielen Jahrtausende der Menschheitsgeschichte entwickelt.
Warum? Weil die Menschen wohl das Bedürfnis hatten sich mitzuteilen – ihre Gedanken, ihre Ideen, ihre Gefühle. Die Stimme sitzt genau am richtigen Ort zwischen Herz und Kopf.
Noch eine Erinnerung möchte ich hier hineinbringen – wir können nicht reden, singen, schreien oder lauthals lachen, wenn wir einatmen.
Es ist uns nur möglich auf dem Luftstrom hinaus.
AUS-DRUCK - das Prinzip der Wahrheit. Unsere Sprache ist schon großartig und zeigt auch hier das unmittelbar Bedürfnis, eine Empfindung mit-zu-teilen.
Wen wundert es, dass uns Stimmen berühren, wenn doch das Herz so nah ist, es eingebettet in unserer Brust von der Lunge ist, und wir sehr genau spüren, wenn das gesprochene Wort nicht STIMMig ist.
Doch damit bin ich schon beim Kopf.
Der Kopf ist das Prinzip der Klarheit. Ich kann nicht tönen, wenn ich nur einatme und meiner Klarheit nicht Ausdruck gebe, wenn ich nicht die klaren Worte finde und sie nicht klar FORME. Hier sind also zwei Aspekte.
Wenn ich einatme, nehme ich alle gesammelten Standpunkte zusammen - alle Tatsachen, alle Erwägungen, alle Fakten. Einatmen weitet - schenkt Raum. Einatmen kann Spannungen lösen, wenn ich die Luft mutig in die verborgenen dunklen Winkel fließen lasse. Wenn ich den Mut habe, dort hinzublicken, was ich vermeide, weil es schmerzen könnte. Einatmen ist der Mut, ehrlich zu sein... erst einmal nur mit mir selbst.
Ist da nicht ein Fehler – lösen sich Spannungen nicht erst beim Ausatmen? Korrekt – aber ich muss da auch hineinatmen, dorthin blicken, mich stretchen. Alles Atmen an der Oberfläche verweigert sich der Tiefe, dem Schmerz, aber auch der riesigen Freude, dem Abenteuer und der Courage.
Nach dem Weiten bringt das Loslassen Entspannung - oder auch die nötigen Spannung – den nötigen DRUCK für einen langen kraftvollen Atem um die eigene Wahrheit zu sprechen.
Der zweite Aspekt ist also das Loslassen.
Die Verantwortung beginnt schon beim ersten Schritt.
So wie klare Handlungen klare Ergebnisse schaffen – schaffen klare Gedanken klare Worte, die vom Herzen kommen.
Denn Sprache ist erst aus dem Bedürfnis entstanden, sich mitteilen zu wollen – das heißt, ich gestehe mir meine Wahrheit und meinem Gegenüber ein.
Wir verstehen unsere Gefühle besser durch Sprache. Fließen sie in Worte, wir denken in Worten und so kann Verständnis gewonnen werden, Klarheit und Kraft, das macht uns zu Menschen. Und wir entdecken dabei die Liebe.
Durch die Prinzipien des Womanifest habe ich einen Weg gefunden, wie man Laien ein leichteres Verständnis für die Stimme schenken kann und ich ein tieferes Bewusstsein für die inneren Vorgänge und Zusammenhänge in ihnen „installiere“. Natürlich braucht es trotzdem ständiges Wiederholen und Korrekturen, aber ich brauche nur anzutippen und sie wissen, wie sie sich wieder „sortieren“ bis sie es selbst reflektieren und ändern.
Das erfüllt mich sehr und vielleicht hätte mir das während des Studiums viel erleichtert.
Vielleicht ist es beim Folgen meiner Gedanken irritierend, warum die Liebe mir hierbei so wichtig ist.
Sie sollte es immer sein, doch im Konkreten stellt sich die Frage auch, wozu nutzen wir unsere Stimme?
Dreht sich meine Wahrheit nur um mein eigenes Universum? Will ich mit meiner Stimme und meinen Worten verführen und manipulieren oder wirklich ehrlich berühren?
Darf ich mit jedem das Handwerkszeug einer wohlklingenden Stimme und anziehenden Präsenz wirklich teilen? Wie schlägt mein Herz dazu?
Und natürlich stehen wir auch auf dieser Erde - die uns Kraft durch den Kontakt gibt – alle gemeinsam. Wir stehen alle auf dem selben Planeten. Kann man dabei das immer höher steigende Blut übersehen?
Mir geht wiederholt dieser Gedanke von Leo Tolstoi durch den Kopf:
„Wenn du Schmerz fühlen kannst, bist du am Leben. Wenn du den Schmerz anderer fühlen kannst, bist du ein Mensch.“
Womanifest meint den Kreis, die Verbindung mit allen, die Verbindung aus weiblichen und männlichen Aspekten.
Einatmen – Ausatmen – Lieben
Doreen Kähler
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Georgette (Donnerstag, 10 November 2022 19:55)
Hallo Doreen, wie wunderbar hast du das beschrieben. Und genau um das geht es. Das was man gelernt hat, nun zu verbinden. Und es ganz zum EIGENEN zu machen.
Love it ❤️
Doreen (Freitag, 11 November 2022 20:42)
Liebe Georgette,
das von Dir zu lesen freut mich sehr.
Von Herzen liebe Grüße
annet (Mittwoch, 16 November 2022 13:24)
Liebe Doreen, beeindruckend, was die Stimme so alles auf sich hat und mehr noch, was sich damit verbindet. Erfreue mich an deinen vielen Erkenntnissen dazu. Mich hat schon immer fasziniert, dass die Stimme in Verbindung mit den Worten, die sie spricht, als einzigartiges Ausdrucksmittel unter den Lebewesen, ganz besonders dem Mensch zu eigen ist. Was das wohl im ganz Besonderen und auch im Eigentlichen zu bedeuten hat? Wie auch die Vielfalt der Sprache , die damit einhergeht. Mich beschäftigt dabei, wenn ich lese, was du schreibst, wie ich über die Sprache hinaus mit meiner Stimme in ihren Worten Verbindung schaffe und damit diese Liebe, von der du sprichst. <3 Annet
Anne (Montag, 21 November 2022 20:53)
Liebe Doreen,
Dein Artikel liest sich ganz wundervoll und er berührt mich in seiner Klarheit. Die Zusammenhänge zwischen Herz, Kopf und Stimme hast du wunderschön erklärt und in Verbindung mit dem Womanifest gebracht. Faszinierend, wie alles zusammenhängt. Danke für deinen aufschlussreichen Artikel.
Doreen (Mittwoch, 23 November 2022 12:44)
Liebe Annet und liebe Anne,
es freut mich sehr, was ihr schreibt. Ja, die Stimme - nicht eines unserer Sinne sondern Ausdruck aller Sinne, faszinierend.
Ich danke Euch.